Der Hauptbahnhof in Nürnberg

Eine meiner zugleich eindrucksvollsten und aufregendsten Erinnerungen ist die Ankunft mit dem Zug aus dem Banat in Deutschland. Der erste Ort, an dem ich in Deutschland einen Fuß auf den Boden setzte, war Nürnberg, wo ich erstmal ins Durchgangslager kam. Fast alle Banater Aussiedler_innen sind hier im Durchgangslager angekommen und wurden danach auf die verschiedenen Bundesländer verteilt, wobei die meisten in Baden-Württemberg und Bayern verblieben sind.

Ein Glücksgefühl durchströmte bei der Ankunft im Nürnberger Bahnhof meinen Körper. Ich kam mit nur einem Koffer in der Hand an, was alles war, was ich zu diesem Zeitpunkt mit 18 Jahren noch besaß. Voller Aufregung presste ich meine Nase an die Fensterscheibe des Zuges, um zu sehen, wer schon dort steht. Viele Freund_innen und meine Mutter, die ich lange Zeit nicht gesehen hatte, warteten dort auf mich und empfingen uns mit Brezeln und Getränken am Bahnsteig.

Den Moment als sich die Türen öffneten werde ich nie vergessen. Ich ließ die Koffer los und sprintete mit Freudentränen auf den Wangen auf meine Mutter zu und stieß sie voller Wucht um, sodass wir beide lachend und weinend am Bahngleis lagen. Es war ein magischer Moment. Dennoch bedeutet er für mich auch gleichzeitig das Verlassen meiner Heimat. Meinen Vater und meine Geschwister musste ich damals noch im Banat zurücklassen, da ich meinen Mann kurz zuvor geheiratet hatte, um mit ihm, seiner Mutter und Großmutter nach Deutschland zu gelangen. Die Ungewissheit, was auf mich zukommen würde und wann meine Familie vereint sein würde, brachte auch ein Gefühl der Angst mit sich. Neben diesem wundervollen Moment der Freude fühlte ich mich also dennoch unvollständig. Aus heutiger Sicht kann ich nur betonen, dass dieser wichtige Moment der Anfang eines schönen Lebensabschnitts war.

Dieser Erinnerungsort wird vorgestellt von

Julia Polling

Deutsche Banater Jugend- und Trachtengruppen (DBJT)

Der Bahnhof in Nürnberg

Küche im Wohnheim. (Foto (c) Polling)

Zusammensitzen in der Stube im Wohnheim.

Im Bild: Mutter und Großmutter von Julias Vater, Mutter ihrer Mutter und weitere Freunde, welche schon ein paar Jahre zuvor nach Deutschland gekommen waren.

(Foto (c) Polling)

Dies ist ein persönlicher Erfahrungsbericht von Julias Mutter. Ihre hier geschilderte Erinnerung betrifft das Jahr 1988, als sie aus dem Banat/Rumänien nach Deutschland kam. Als Banater Schwäbin ist sie Teil einer deutschen Minderheit in Rumänien gewesen und kam als sogenannte Aussiedlerin nach Deutschland.

Viele Menschen haben so wie Julias Mutter die Erfahrung der Aussiedlung gemacht. Zwischen den Jahren 1985-1989 waren es 78.337 Menschen verschiedener Gruppen, die als Aussiedler_innen von Rumänien nach Deutschland kamen. Mehr über dieses Thema kannst du z.B. in diesem Artikel der Bundeszentrale für politische Bildung erfahren.